Hartmannsdorfer Forst

Hartmannsdorf nimmt unter den Wiesenburgischen Amtsdörfern eine bevorzugte Stellung als „Walddorf“ der Herrschaft ein. Nicht nur, dass seine Einwohner im besonderen Maße mit Wald- und Jagdfron belegt sind, es ist vor allem seit alters der Sitz der Försterei. Außerdem stehen hier die drei herrschaftlichen Brettmühlen und zwei, wenn nicht gar drei Hammerwerke. Der alte Wiesenburger Wald mit seinen rund 1650 Hektar Flächeninhalt, 9 km Länge und 1,5 km Breite erhält später die Bezeichnung „ Jahnsgrüner“ und „Hartmannsdorfer Forstrevier“
Zur Gründungszeit des Dorfes bedeckt fast undurchdringlicher unberührter Urwald mit dichtem Unterholz und wildem Getier unsere Heimatflur. Seit dem Jahr 974 bezeichnet man das mächtige Waldgebiet zwischen Elster und Elbe als „ Miriquidi“(schwarzer Wald / dunkler Wald).

Höchste Erhebung im Hartmannsdorfer Forst der Hirschenstein; Trianguliert 1864 für die Landesvermessung des damaligen Königreich Sachsens mit 610,40 mHNN. (Stationsstein)

Im späteren Mittelalter heißt es „Behaimerwald“ (Böhmischer Wald). Im 16. Jahrhundert tritt der Name "Erzgebirge“ zunächst als Gattungsbegriff, seit 1800 etwa erst im heutigen Sinne auf. In alter Zeit ist es vorwiegend Laub- bzw. Mischwald ( Tanne, Kiefer, Fichte, Buche sowie Eibe u.a.). In erster Linie diente der Wald der Jagd, der Schweinemast, der Rinder, Schaf- und Ziegenweide, der Waldbienenzucht und Ziegenweide, der Harzgewinnung und der Köhlerei. Die Holznutzung spielt anfangs eine völlig untergeordnete Rolle. Erst mit der Zunahme der Bevölkerung, besonders aber durch den enormen Holzverbrauch der Berg- und Hammerwerke wird im 16. Jahrhundert die Holznutzung geregelt. Noch um 1700 wird berichtet, dass Schneeberger Bergleute im Niederforst viele Bäume niedergeschlagen und der Wildbahn Ruin und Schaden gebracht haben.

Im Anfang des 18. Jahrhunderts beginnt die eigentliche Entwicklung der waldbaulichen Technik. Es beginnt der künstliche Anbau des Nadelholzes. Unser Forst bekommt nach und nach sein heutiges Aussehen. Gegenwärtig stehen wir abermals in einer Übergangszeit. Die Reinkulturen werden in Zukunft zugunsten des Mischwaldes und einer naturnahen Bewirtschaftung aufgegeben, der eine weitaus gesündere und damit rentablere Wachstumsentwicklung der Hölzer gewährleistet.
In dem für unsere Heimat erstmalig zur Verfügung stehenden Urkundenmaterial aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts finden wir bereits eine völlig geregelte Wald- und Holznutzung vor. Der Wald ist Herrenbesitz (mit Ausnahme der Bauernränder) und gliedert sich in drei Teile. Der obere Forst liegt östlich der Lichtenauer und Salzstraße. Zu ihm gehört auch das Jahnsgrüner Gehölz. Er ist ritterlicher Lehnsbesitz (derer v. Bünau, Pflug, v. Creutz). Den westlichen Flurstücken teilt der Fürstenweg in den nördlich gelegenen niederen Forst und den südlich angrenzenden mittleren Forst. Beide gehören um 1600 zum Wiesenburger Herrschaftsbesitz. 1663 gelangt der obere Forst ebenfalls in Wiesenburger Hände.

Zur Abgrenzung benutzt man natürliche Grenzen ( Wasserläufe, Bergrücken), aber auch künstliche Grenzzeichen, wie besonders starke oder eigentümlich geformte Bäume, in die man Nägel einschlägt oder Kreuze und andere Zeichen einbaut. Diese Bäume heißen „Lagbäume“ bzw. Lach- oder Lochbäume (von ahd. Lah = Einschnitt). Gelegentlich werden auch in Felsen Grenzzeichen gehauen. Im Ausgang des Mittelalters geht man dazu über, die Lagbäume durch Grenzsteine zu ersetzen. Im niederen Forst steht heute noch ein solcher 1605 gesetzter Stein.
Mit Beginn der geregelten Holznutzung und der Forstkultur macht sich eine besser organisierte Forstverwaltung nötig. Die Förster müssen „ Försterei halten" (Ausforsten), Hölzer abtreiben, Pech sieden, Streu rechen, Vogel stellen, Kohlstätten anrichten und Kohlen brennen lassen. Sie erhalten nur sehr geringen Lohn. Sie haben die Nutzung von den Vogelherden und dem Dohnenstrich, dürfen eigenes Vieh weiden lassen und haben zuweilen einen eigenen Abschussplatz für Wild. Es gehört ihnen vor allem die Einnahme aus den Stock, Reisig, Streu, Leseholz- und Hutweidenutzungszettelgeldern. Zum großen Teil sind sie schriftkundig und rechnen mit den Holzfuhrleuten und Köhlern mittels Kerbhölzern ab. Um 1590 ist Andreas Schwotzer Oberförster. Als Jäger und Teichknecht fungiert Christoph Holl. Dessen Sohn ist der spätere Oberförster Andreas Holl, der als „.Jäger zur Sandleithe" 1668 das Gartenhaus Nr. 76 kauft. Der Kurfürst beruft diesen tüchtigen Jäger als einen kurfürstlichen bestalten Besuchknecht ( Leithundführer bei der Wildschweinsuche) in sein Jagdgefolge nach Dresden. 1605 wird "Martin Pratzscher, Picher zum Felskenstein" (Falkenstein) von der Herrschaft vertraglich auf 6 Jahre als Pechsieder gedungen. Ein Drittel seines Ertrages muss er abliefern. Er bezieht das „ Hüttlein am Bornbrunn“ an der Bärenwalder Straße bei Jahnsgrün. 1608 erhalten er und seine "Gesellschaft" einen Trunk, auf dass "sie zukünftig desto besser reißen, kratzen und pürchen“. Nach Ablauf der Vertragszeit ist Balzer von Lindenau Picher.

links, verjüngter Waldbestand nach einigen Jahren.

rechts ,die Natur hat sich den Torfstich zurück erobert

Im Jahre 1607 wird ein Forsthaus in unserem Ort erbaut, urkundlich nennt es sich damals das „Jägerhaus zu Langenhartmannsdorf“ (Nr. 93). In seinem Seitengebäude sind je ein dreiständiger Pferde- und Kuhstall und zwei Holzschuppen untergebracht. An Gerät enthält das Haus unter anderem ein langes Pirschrohr,10 Hasen-, 5 Reh- und 12 Rebhuhnnetze.6 Jagdhunde hält der Förster, und je einen müssen die 3 Brettschneider in Wartung nehmen. 1616 muss die Herrschaft "einen Scheffel Hafer in den Forsthausfutterkasten schütten, allda die Pferde, wenn man Übernachtet, damit zu füttern, sonsten muß man das Darf auf und niederlaufen lassen, ehe was zu erlangen, obgleich die Bauern haben in Vorrat, pflegen sie doch solchen zu verleugnen". Im neu erbauten Forsthaus finden in der ersten Zeit auch die Gemeinderechnungslegung statt.

Im Abschnitt über die untergegangene Siedlung Jahnsgrün haben wir bereits erwähnt, wie sich die. Försterdynastie der Günther`s dort einen eigenen Hausbau ertrotzt hat. Der Nachfolger G. A. Mirus tat das Gleiche. Nach 200 Jahren ist das Forsthaus im Dorf in einem beängstigenden baulichen Zustand. Schon 1779 "fällt das Regenwasser, wie es aus den Wolken kommt, durch und durch". Des Mirus Nachfolger F. A. Baumgarten schildert 1808, wie er wegen Einsturzgefahr der Esse nur noch unter Lebensgefahr die Küche betreten kann. Dach- und Kellerdecke sind total verfault. 1819 wird das Haus neu erbaut. Auf Baumgarten folgen als Oberförster: Oppell, Benedikt, Rein, Hildebrand sen;, Rouanet, Schuricht (Schurichtweg) und Hamig, als Forstmeister Hildebrand jun., Thiermann und Schmidt. Der erste „ Filzförster“ ist G. F. Brunft, der 1832 zur Beaufsichtigung des Torstiches eingesetzt wird. Seine Nachfolger sind Garten, Wendler, Mathäi, Schönfeld und Wunderlich. Forstwarte der jüngsten Zeit sind Lerchner, der im niederen Forst bei der Ausübung des Forstschutzes von zwei Vogelstellern erstochen wird, Großer, Kehrer und Schröder. In den Nachfolgejahren verwalten die Förster Rödemann und Queck das Hartmannsdorfer Revier. Technischer Leiter ist Förster Arnold. Förster Wunderlich, der sich besonders auf die Aufzucht des Pflanzengutes der standortgemäßen Kiefern und Fichten und den Anbau der Moorkulturen spezialisiert hatte und als Gebrauchshundezüchter, Abrichter und Führer weit über Sachsens Grenzen hinaus bekannt ist, ging noch mit 76 Jahren seinem Forstdienst nach. Seine Jagdsammlung im stillen Filzförsterhaus am Torfwerk gleich einem interessanten „ Jagtmuseum“ und wurde von Schulklassen und Naturfreunden gern besucht. 1879 wird ein Forstverwaltungsgebäude am südlichen Dorfausgang errichtet und das alte Forsthaus im Dorfinneren verkauft (Eißmann später Fam. Bauer).

1905 erbaute man an der Straßenabzweigung nach Weißbach ein Dienstgebäude für den Forstwart. Während der Kirchberger Kirmes am 19. 7. 1874 entsteht im Forst ein großer Waldbrand, der den 20 jährigen Fichtenbestand auf einer Fläche von 10 Ackern vernichtet. 1880 werden durch einen weiteren Brand 6 Acker Wald ein Raub der Flammen.

 

In früheren Zeiten ist unser erzgebirgischer Wald ein ergiebiges Jagdgebiet. Jäger sind jedoch nur die Fürsten und Herren. Ein Bauer darf kein „ Rohr“ (Flinte oder Büchse) besitzen. Wilddiebe werden hart am Leibe gestraft. Karl Stülpner, der des öfteren auch in unserem Forst weilt und im Weißbacher „ Kuchenhaus“ ein­ und ausgeht, wird sein Leben lang von der Obrigkeit als „ Rebell“ verfolgt und gehetzt, vom Volk aber bis auf den heutigen Tag geliebt und verehrt. Auf kurfürstlichen Jagdzügen in den Jahren von 1611 -1653 werden unter anderem 55 000 Hirsche und Rehe, 30 000 Wildschweine, 203 Bären, 1550 Wölfe und 200 Luchse erlegt. Beim Besitzerwechsel der Wiesenburger Herrschaft wird 1663 festgestellt, dass in unserem Forst eine gute Wildbahn besteht, daß, "wenn das Wild auch gleich in einem Jahr ganz ausgeschossen wurde, sichs dennoch von den Hohen und Burkhardsgrüner Gehölzen wie der anhero lenket und den Forst nicht verläßt. Maßen in zwei Jahren hero (also 1661) daselbst drei Hauptbären gefangen und lebendig eingeschickt worden".* Die Untertanen müssen zu den Jagdveranstaltungen Treiber- und Gespanndienste verrichten. Ein großes Jagdlager unterhält der Kurfürst in Crottendorf bei Scheibenberg. Dorthin müssen zum Beispiel die Giegengrüner anno 1625 Fleisch liefern (40 km Entfernung!). 1627 muss die Gemeinde Giegengrün „den Förstern, die die wilden Schweine gejagt", eine Entlohnung auszahlen. 1614 findet im Forst eine Wolfsjagd statt. Im neuen Forsthaus wird anschließend ein üppiges Gelage gehalten.
*Alte Flurbezeichnung in der Forstabteilung 14:“ Bärenfang“ ,in Forstabteilung 28/29 „ Bärensäure“
Vor 1933 hatte das Hartmannsdorfer Jagdrevier einen Rotwildbestand (einschließlich Wechselwild) von zirka 16-18 Stück. In jedem Jahr wurden etwa 6 Stück gesetzt und auch soviel abgeschossen. Dadurch blieb der Bestand in den Grenzen, der sich mit den Interessen der Forst- und Landwirtschaft vereinbaren ließ. Während der Zeit des Faschismus jedoch wurde dem Forstpersonal und den Jagtpächtern der Abschuss von Zukunfts- und starken Hirschen verboten. Dieselben durften nur vom Reichsstatthalter, von Kreisleitern und sonstigen Parteigrößen erlegt werden. Da diesen Herren aber die Abschüsse nicht restlos gelangen, wurde der Wildbestand immer höher und führte zu berechtigten Klagen seitens der vom Wildschaden betroffenen Bauern, aber auch der Forstverwaltung. Am Forsthaus beim Torfstich waren zur Winterszeit oft 10 starke Hirsche und mehr zu sehen, die von Wunderlich gelockt ( „ Hansel, Hansel...!), bis zum Gartenzaum herankamen und dort das von den Bewohnern der Umgebung mitgebrachte Futter aufnahmen. Schließlich wird es den Naturfreund noch interessieren, welche besonders nennenswerten Tiere und Pflanzen man in unseren Wäldern und Fluren antrifft. Hirsch- und Rehwild haben wir bereits erwähnt. Wildschweine kommen zuweilen von Trünzig aus auf kurzen Besuch zu uns. Fuchs und Dachs sind noch heimisch, ebenso großes und kleines Wiesel, Iltis, Stein- und Baumarder. Hervorzuheben wäre auch die Anwesenheit des geschützten Gartenschläfers. Der Uhu findet sich nicht mehr bei uns, aber Waldohreule, Waldkauz (großer und kleiner) und Steinkauz sind vorhanden. Desgleichen können wir Mäusebussarde, Wespenbussarde, Hühnerhabichte, Sperber, Turm- und Baumfalken beobachten. Im Durchzug treffen wir auch den Rauhfußbussarde, den Wanderfalken sowie die Gabelweihe, eine nur noch in wenigen Brutpaaren in Europa vorhandene Art, sowie die Kornweihe, die Rohrweihe und die Wiesenweihe an. Ein Schrecken für unsere Karpfenzüchter von jeher der ebenfalls als Stichvogel auftretende Flussadler, auch Blaufuß genannt, mit seinen 1,80 m Flügelspanne. Seit etwa 1925 ist aus unseren Revieren das Auerwild verschwunden, Birk­ und Haselwild, ebenso Bekassinen, Strandläufer und sämtliche Taucherarten, die früher vor allem den Filzteich bevölkerten, gibt es gleichfalls nicht mehr.